Höxter (TKu). Am heutigen Samstag, den 19. September 2020 jährt sich das schwere Explosionsunglück von Höxter zum 15. Mal. Der Morgen des 19. Septembers 2005 begann in der Kleinstadt Höxter wie jeder andere Tag. Die ersten Geschäfte in der Innenstadt öffnen ihre Pforten gegen 09.15 Uhr, einige wenige Kunden warten bereits vor den Geschäften darauf, eingelassen zu werden. Ein Rettungswagen samt Besatzung befindet sich gerade am Höxteraner Bahnhof im Einsatz, unweit der Unglücksstelle bei einem routinemäßigen Notfall, als es plötzlich um 09.16 Uhr einen fürchterlich lauten Knall gibt. Als sich die Rettungsdienstbesatzung in die Richtung des Knalls umdreht, sieht sie Gegenstände durch die Luft fliegen. Um zu sehen, was passiert ist, läuft sie in Richtung der Unglücksstelle in weniger als 100 Metern Entfernung. Es hat sich eine schwere Explosion ereignet, die in ganz Höxter und bis in die Nachbarorte zu hören war. Die Druckwelle war so gewaltig, dass sie zahlreiche Fensterscheiben und Dächer in der Innenstadt in Mitleidenschaft gezogen hat.

Auf dem Weg zum Explosionsort kommen dem Rettungsteam schon einige Verletzte schreiend entgegengelaufen. Andere Beteiligte stehen in den scheibenlosen Fenstern der Häuser, wie ein Rettungsassistent die Lage beschreibt. Die meisten der insgesamt mehr als 40 verletzten Personen haben Schnittwunden oder zusätzlich einen Schock, wie später durch die Behörden bekannt gegeben wird. Drei Personen sterben sofort, andere werden schwer verletzt. Viele Verletzte suchen sofort die nahegelegenen Arztpraxen auf. Nach einem Notruf des Rettungsdienstpersonals und hunderten weiteren Notrufen, die bei den Leitstellen eingehen, rollt die große Hilfswelle an. Einsatzleiter und Stadtbrandinspektor Stefan Dickel aus Höxter ist gerade in der etwa 10 Kilometer entfernten Nachbarstadt Holzminden auf der Arbeit, als auch er einen entfernten dumpfen Knall hört. Nach der Großalarmierung setzt er sich sofort in Marsch, um die Einsatzleitung zu übernehmen. Am Unglücksort bietet sich den Rettern ein Bild der Verwüstung, es sieht aus, wie auf den Bildern, die vom 11. September 2001 aus New York bekannt geworden sind. Wo nun in Höxter, in der Weserstraße 11 hinter dem Rathaus, einmal ein Haus stand, ist nur noch ein brennender Trümmerhaufen zu finden. Während einige Feuerwehrleute die in Mitleidenschaft gezogenen Nachbarhäuser nach Verletzten durchsuchen, nehmen andere Helfer die Brandbekämpfung auf, damit das Feuer sich nicht weiter auf die angrenzenden Häuser ausdehnen kann.

35 Häuser in einem Umkreis von mehr als 200 Metern wurden „Ad hoc“ zum Teil stark beschädigt. Sehr stark in Mitleidenschaft gezogen wurden die beiden angrenzenden Häuser, das Küsterhaus, in dem sich das Standesamt der Stadt befindet, eine alte Fachwerkzeile, in der auch eine Lokalzeitung sowie das Studio eines Radiosenders untergebracht sind sowie das in unmittelbarer Nähe befindliche Historische Rathaus. Zum Zeitpunkt der Explosion fuhren gerade einige Autos am Unglücksort vorbei. Sie wurden von Trümmerteilen getroffen und schwer beschädigt. Das neben dem Unglückshaus befindliche Wohn- und Geschäftsgebäude gilt in der Extremphase als einsturzgefährdet.

Hunderte Retter von Feuerwehr, THW und weiteren Hilfsorganisationen kämpfen gegen die Flammen, suchen nach Verschütteten und helfen den Verletzten, die auf dem Marktplatz notversorgt werden. Sechs Rettungs-, Polizei- und Bundeswehrhubschrauber sind im Einsatz. Ebenfalls im Einsatz sind Einsatzhundertschaften der Polizei aus Bielefeld und Bochum, das Landeskriminalamt sowie zahlreiche weitere private und behördliche Helfer. Obwohl niemand mehr an Überlebende unter den Trümmerteilen glaubt, suchen die Einsatzkräfte mit Verstärkung von zwei Rettungshundestaffeln den Unglücksort ab. Zwei Fußgänger haben keine Chance mehr, Feuerwehrleute können sie nur noch tot bergen. Dabei handelte es sich um eine 81-jährige Frau und einen 79-jährigen Mann, die sich zur Zeit der Explosion direkt vor dem Haus befanden, das explodiert war. Die folgenden fünf Tage dauert der Einsatz der Helfer noch an.

Zur Ursache der Explosion teilte der ermittelnde Staatsanwalt mit, dass unmittelbar vor dem Unglück eine Nachbarin die Polizei davon in Kenntnis setzte, dass der einzige Bewohner sein Haus mit Benzin begieße. Laut Nachrichten- und Hörfunksender tauchte ein Bekennerschreiben auf, in dem der Verursacher die Explosion wegen Erbstreitigkeiten gerechtfertigt habe. Er habe demnach den Gashahn aufgedreht und 900 Liter Benzin Haus verteilt, bevor er das Feuer gezündet hat. Es ist die größte Schadenslage, die Höxter seit dem 2. Weltkrieg heimgesucht hat. Die Folgen zweier Gasexplosionen aus den Jahren 1967 und 1979 waren auch sehr schwer, sind mit diesem Unglück vor genau 15 Jahren nicht zu vergleichen. Neben den Höxteranerinnen und Höxteranern gedenkt auch die Redaktion von Höxter-News.de den Verstorbenen und den Verletzten dieser Tragödie.

Fotos: Thomas Kube