Höxter (TKu). Eine „großstadtwürdige“ Dauerausstellung zur jüdischen Geschichte Höxters mit vielen digitalen Features: Die neue Dauerausstellung zur Geschichte des Judentums in Höxter im Jakob-Pins-Forum in Höxter wurde am vergangenen Sonntag im Beisein von 40 Besucherinnen und Besuchern feierlich eröffnet. Dank Fördermittel der NRW-Stiftung in Höhe von 105.000 Euro, zahlreicher Spender und dem Verkaufserlös einer Bilderversteigerung konnte die Ausstellung im Obergeschoss des historischen Adelshofes in der Westerbachstraße in Höxter realisiert werden. Seinen Dank richtete Fritz Ostkämper, der ehemaliger erste Vorsitzende der Jacob Pins Gesellschaft, gemeinsam mit dem Vorsitzenden Dr. Wolfgang Avenhaus an die NRW-Stiftung sowie an alle Spenderinnen und Spender aus dem Verein und den Institutionen, darunter die Verbundvolksbank OWL, die Sparkasse Höxter und Westfalen Weser Energie. Für die NRW-Stiftung zur Eröffnungsfeier erschienen war der Staatssekretär a. D. Karl Peter Brendel als Vorstandsmitglied der Stiftung.
Diese Dauerausstellung sei „großstadtwürdig“, betont Fritz Ostkämper, der dieses Projekt maßgeblich mit der ehemaligen zweiten Vorsitzenden der Jacob Pins Gesellschaft, Bärbel Werzmirzowsky, voran gebracht hat. Einen großen Anteil an dessen Realisierung haben laut Dr. Wolfgang Avenhaus auch Stadtarchivar Michael Koch und Stadtarchäologe Andreas König mit ihren Expertisen sowie Medientechniker Harald Wurm, der die Technik installiert hat. Die Gesamtkosten für die Ausstellung belaufen sich auf mehr als 185.000 Euro. Insbesondere digitale Informationsquellen wurden in die Ausstellung integriert. Bürgermeister Daniel Hartmann sieht die Ausstellung als eine große Bereicherung für Höxter. Hartmann nannte in dem Zusammenhang den Krieg in der Ukraine. So etwas wie im dritten Reich oder das, was jetzt gerade in der Ukraine passiert, dürfe in Europa niemals wieder geschehen. Und dabei helfe auch die Ausstellung, um aus der dunklen Geschichte Europas Lehren zu ziehen und die Erinnerungskultur an die jüngere Generation weiter zu geben, so der Bürgermeister. Das sei auch der Auftrag des bereits vor Jahren verstorbenen jüdischen Künstlers Jakob Pins gewesen, der als ehemaliger Höxteraner Bürger den Holocaust überlebt hat und mit seinen Holzschnitten den Anstoß für das Pins-Forum gegeben hat, welches im April 2008 erstmalig seine Türen für Besucher öffnete.
Schon damals war neben Kunst und Baugeschichte des Adelshofes erstmalig eine Ausstellung zur Geschichte der Juden in Höxter zu sehen. Zusammengestellt war sie von Fritz Ostkämper. Mit seinen, in jahrzehntelanger Arbeit entstandenen unglaublichen Anzahl an Biografien, einer umfangreichen Fotosammlung und sonstigen Exponaten, war der Grundstock für eine eindrucksvolle, in weiten Bereichen wissenschaftlichen Kriterien genügende Dokumentation jüdischen Lebens in der Stadt gelegt. Sie fand ihren Platz im Obergeschoss, musste aber im Lauf der Jahre teilweise den Kunstausstellungen weichen. „Im Lauf der Zeit stellte sich heraus, dass gerade dieser Themenbereich eine besondere Anziehungskraft entwickelte. Die 2008 unter der Federführung von Fritz Ostkämper konzipierte und von Grafiker Christoph Luchs gestaltet, erwies sich jedoch als relativ textlastig - zu viel für einen Teil der Besucher und vor allem für Schülergruppen“, sagt Werzmirzowsky im Rückblick auf die alte Ausstellung.
Das Ausstellungskonzept – es ist ein großes Stück weit digitaler geworden: Dem jüdischen Künstler Jacob Pins ist der erste Raum im Obergeschoss gewidmet. Der Themenbereich der sogenannten „Pinsstube“ gleich nebenan ist nach oben gewandert und fügt sich nahtlos in das neue Ausstellungskonzept ein. Sahen sich bisher Besucher mit einer Zweiteilung von Pins Leben und Werk konfrontiert, macht die Digitalisierung der Inhalte eine geschlossene Darstellung im Obergeschoss möglich. „Durch den digitalen Bilderrahmen sind nicht nur für die Besucherinnen und Besucher ständig mehr Werke von Jacob Pins präsent, es können auch bei Führungen und museumspädagogischen Programmen gezielt Bilder gezeigt werden, die nicht immer in der Ausstellung zu sehen sind“, berichtet Museumskuratorin Dr. Julia Diekmann. Insgesamt habe der Bereich der Pinsstube durch die neuen Hängewände und die gezielte Beleuchtung neue Klarheit gewonnen und verzahne den Kunstbereich durch die Einführungsstation mit dem anschließenden historischen Teil der Ausstellung.
Eine weitere Neuerung für Besucher: Das Jacob Pins-Filmporträt des israelischen Filmemachers Nimrod Erez, das auf hebräisch mit einer Länge von etwa 25 Minuten und mit englischem Untertitel für viele Besucher zu lang war, wurde nun angepasst. Madeye Films aus Höxter kürzte den Film auf sieben Minuten und versah ihn mit deutschen Untertiteln. Der letzte Raum der Ausstellung zeigt einige Aspekte des Judentums: Religion, Feste, Speisegesetze, Kalender, Zeitrechnung usw.. „Es war uns immer wieder aufgefallen, dass es Schülern - und auch sonstigen Besuchern - an Grundkenntnissen über das Judentum fehlte. Andererseits gibt es durchaus Interesse für alles, was mit jüdischer Thematik zu tun hat“, sagt Werzmirzowsky.
„Natürlich können wir die Geschichte und das Schicksal der Höxteraner Juden auch in der neuen Ausstellung nur an Beispielen und mit Schwerpunkten darstellen, aber ich denke, es ist uns gelungen, Gedenken und Informationsvermittlung miteinander zu verknüpfen“, berichtet Initiator Fritz Ostkämper. An zwei Wänden befindet sich ein Zeitstrahl mit einem chronologischen Überblick über die Geschichte der Juden in Deutschland und darunter die wesentlichen Daten und Ereignisse der Geschichte der Juden in Höxter. In Schubfächern befinden sich interessante Objekte und informative Texte zum Herausziehen. Im Zentrum des Raums befindet sich ein großer Medientisch, der die 400-jährige Geschichte der Juden in Höxter verdeutlicht. Wenn man beispielsweise den ersten Menüpunkt „Orte jüdischen Lebens“ antippt, erscheinen viele Fähnchen mit Namen von Juden, die dort gewohnt und gearbeitet haben. Das sei aber nur eine kleine Auswahl aus den zig jüdischen Familien und hunderten von Menschen. Unter dem zweiten Menüpunkt „Jüdische Lebensbilder“ werde genauer an eine Reihe jüdischer Familien und Menschen erinnert, an denen die Vielfalt jüdischen Lebens in Höxter sichtbar werde. Das reiche von dem Arzt Dr. Richard Frankenberg über die Kaufmannsfamilie Löwenstein bis hin zu den Landhändlern Eppstein und anderen, so Ostkämper. Die weiteren Menüpunkte erzählen aber auch von Flucht, Vertreibung oder dem Holocaust im Vernichtungslager.
Ausgestellt sind auch Gegenstände aus jüdischen Haushalten und Geschäften, welche die Pins-Gesellschaft nach und nach von Höxteraner Bürgerinnen und Bürgern erhalten haben. Das seien alltägliche Gegenstände wie Kleiderbügel aus den Geschäften Löwenstein und Netheim, Servietten mit dem Monogramm GL, Gertud Löwenstein, ein Handtuch mit dem originalen Preisschild und vieles mehr. Am auffälligsten sei sicher ein großer Sederteller aus dem Haus Blumenthal, über den nichts Weiteres bekannt ist, und eine Puppe in einer Vitrine aus dem Geschäft Löwenstein mit einer kleinen Geschichte dazu.
Für die musikalische Umrahmung des Festprogrammes zur Ausstellungseröffnung sorgte die Musikerin Matan David mit ihrer Klarinette. Nach dem Festakt sahen sich die Besucherinnen und Besucher erstmalig die Dauerausstellung während eines Rundgangs an. Sie richte sich insbesondere auch an Schülergruppen aus der Region, sagt Fritz Ostkämper.
Fotos: Thomas Kube