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Montag, 25. November 2024 Mediadaten
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Macher, Mitgestalter und Ideengeber der „Zeitreise“ nach einem trotz kurzfristiger Erkrankung des Referenten gelungenen Auftakt: Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek (von links), Hans-Werner Gorzolka (Ideengeber), Professor Dr. Hermann Kamp, Hans Hermann Jansen (Projektpartner Klosterlandschaft OWL), Weinexperte Michael Rindermann (Initiator des Corveyer Jubiläumsweins), Kalle Noltenhans (Klosterlandschaft OWL), Professor Dr. Christoph Stiegemann und geschäftsführender Kirchenvorstand Josef Kowalski. Fotos: Kirchengemeinde Corvey

Höxter (red). Kronzeuge oder Spielmann in Kutte? Über Widukind und seine Sachsengeschichte gehen die Meinungen auseinander. Mit dieser vieldiskutierten Quelle aus dem 10. Jahrhundert startete jetzt eine „Zeitreise“ in die Geschichte Corveys. Denn ihr Verfasser war Mönch dieser Abtei.

Widukinds Kloster an der Weser steht derzeit im Glanz seines 1200-jährigen Bestehens. Die Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus begeht dieses besondere Jubiläum. Zu den Höhepunkten des Festprogramms gehört die hochkarätige elfteilige Vortrags-Zeitreise, deren Ausgangspunkt jetzt die in Corvey entstandene, dreibändige und als Quelle für die frühottonische Zeit bedeutende Sachsengeschichte war. Die Macher konnten sich zum Start über ein volles Haus freuen und waren überwältigt von der großartigen Resonanz.

Beim ersten Blick auf das große Auditorium in der ehemaligen Abteikirche lag allerdings eine wahre Zitterpartie hinter den Initiatoren: Der Referent des Auftaktabends und international geschätzte Kenner des Mittelalters, Professor Dr. Gerhard Althoff aus Münster, erkrankte plötzlich. Am Morgen des Veranstaltungstages erreichte das „Zeitreise“-Team um Professor Dr. Christoph Stiegemann die Schreckensnachricht, dass der renommierte Historiker nicht anreisen kann. Da war guter Rat teuer. Und die Zeit knapp.

Zur Erleichterung aller sprang Professor Dr. Hermann Kamp, Uni Paderborn, ein. Er ist ebenfalls Historiker und mit Professor Althoff gut bekannt. In Corvey trug er nun dessen Vortrag „Widukind von Corvey – ein Meister diskreter Hinweise“ vor. Christoph Stiegemann kündigte Kamp in Anlehnung an die Heiligengruppe der 14 Nothelfer und in Dankbarkeit für den spontanen Einsatz als „15. Nothelfer“ an.

Gregorianik-Schola vergegenwärtigt frühe Klostergeschichte

Das Mittelalter, in das Professor Kamp die „Zeitreisenden“ mitnahm, vergegenwärtigte sich aber zunächst in einem sinnlichen Erleben: Die Gregorianik-Schola unter der Leitung von Hans Hermann Jansen intonierte Choräle der frühen Klosterzeit Corveys wie etwa den Hymnus „Veni creator spiritus“ aus dem 9. Jahrhundert. Visuelle Impressionen auf einem großen Bildschirm entfalteten ihrerseits den Geist der Zeit, in die die Reise führte.

Es war frühe Blütezeit des Klosters Corvey. Die Abtei war etwas mehr als 100 Jahre alt, als Widukind zwischen 940 und 942 in den Konvent eintrat. Professor Althoff geht davon aus, dass er zu den Nachkommen des gleichnamigen Sachsenherzogs gehört, der während der Sachsenkriege jahrelang erbitterten Widerstand gegen Karl den Großen leistete und sich dann aber 785 taufen ließ.

Der Ordensmann Widukind war Mitglied des sächsischen Hochadels und wohl entfernt mit Königin Mathilde, der Mutter Ottos des Großen, verwandt. „Damit war der Corveyer Mönch Widukind also wohl selbst ein Verwandter der Ottonen und damit auch der Tochter Ottos des Großen, die gleichfalls den Namen Mathilde trug. Ihr widmete er 967/68 eine Fassung seiner Sachsengeschichte“, zitierte Professor Kamp in Corvey aus dem Vortrag des erkrankten Referenten.

Rädelsführer waren Verwandte

Die „diskreten Hinweise“ im Titel beziehen sich auf Akteure, die in Konflikte mit Otto dem Großen verwickelt waren. Zu ihnen gehörten seine Brüder Thangmar und Heinrich. Sie waren von der Thronfolge ausgeschlossen, weil die Herrschaft abweichend vom fränkischen Brauch nicht mehr geteilt worden war. Also begehrten sie in den ersten Regierungsjahren Ottos nach 936 auf. Rädelsführer der zweiten Aufstandsbewegung gegen den König in den 50er Jahren des 10. Jahrhunderts waren wieder Verwandte: Herzog Liudolf von Schwaben, der Sohn Ottos aus erster Ehe, und Herzog Konrad von Lothringen, Ottos Schwiegersohn.

Ins Auge fällt, so Professor Althoff, dass Widukind die Gegner Ottos des Großen in seinen diskreten Hinweisen mit einer positiven Wertung versieht. Das lasse sich bis ans Ende des Werkes immer wieder beobachten. Außerdem habe er erstaunlich oft Geheimnisse der königlichen Herrschaftsführung verarbeitet, die strenger Vertraulichkeit unterlagen.

Widukind war also ein früher Whistleblower. „Er verfolgte und bewertete das Tun seiner weltlichen Verwandten sehr genau“. Wie Widukind zu diesen Informationen gekommen ist, bleibe unbekannt.

Diskrete Hinweise helfen Kaisertochter

Geholfen haben sie Mathilde, der Tochter Ottos des Großen, die 966 mit elf Jahren zur Äbtissin in Quedlinburg gewählt worden war. Nach dem fast gleichzeitigen Tod zweier enger Angehöriger im März 968 musste die junge Äbtissin als einziges Mitglied des Herrscherhauses nördlich der Alpen den Vater, der in Italien nicht abkömmlich war, ersetzen. Professor Althoff: „Hierzu stellte das Werk Widukinds ein wertvolles Hilfsmittel bereit, weil es in seinen Erzählungen wie seinen Wertungen gerade auf die vielen Situationen hinwies, die in den Jahrzehnten zuvor Konflikte hervorgebracht hatten, die die Königsherrschaft ihres Vaters fast zum Scheitern verurteilten. Wer darüber nicht informiert war, lief große Gefahr bei der Vertretung des Königs Schiffbruch zu erleiden.“

Widukinds Sachsengeschichte sei deshalb so hilfreich gewesen, weil er nicht einfach die Positionen des Königs vertreten, sondern auch den Motiven und Anliegen seiner Gegner den nötigen Raum gegeben habe. Der Whistleblower aus dem Weserkloster hat also mit seiner Sachsengeschichte, deren Wertung heute von „Fehlergesättigtes Konstrukt“ bis „Kronzeugnis der Anfänge der deutschen Geschichte“ reicht, einer jungen Kaisertochter die Augen für Fallstricke der Politik geöffnet.

Um das Mittelalter-Erlebnis mit allen Sinnen abzurunden, bot sich Gelegenheit, den Corveyer Jubiläumswein zu kosten. Mit der Rebsorte Karls des Großen, dem gelben Orleans, entfaltet er den Geschmack des Mittelalters. Winzer Michael Rindermann stellte die Rebsorte vor. So schloss der Abend mit einer Wein-Zeitreise in Corveys frühe Klosterzeit ab.

Vortrag zum Nachlesen auf der Homepage

Alles in allem hat das Programm, wie Kirchenvortand Josef Kowalski hervorhob, Corvey in seiner Substanz und Seele gespiegelt. Technische Probleme, die die Akustik erschwerten, bittet die Kirchengemeinde zu entschuldigen. Sie hat den Vortrag zum Nachlesen auf ihre Homepage gestellt (https://bit.ly/3V6y4f5) und kündigt an, dass die Schwierigkeiten bei der nächsten Zeitreise-Etappe mit der Archäologin Dr. Sveva Gai am Donnerstag, 11. Mai, behoben sein werden.

Foto: Pastoralverbund Corvey

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