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Sonntag, 24. November 2024 Mediadaten
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Kurator Professor Dr. Christoph Stiegemann (rechts) und Innenarchitekt Ludger Schwarze-Blanke in den letzten Tagen vor der Eröffnung. Im Stillen Winkel, wo beide Platz genommen haben, wird die klösterliche Geschichte Corveys in vier Filmen fundiert und zugleich spektakulär lebendig.

Höxter (red). Die ehemalige Benediktinerabtei Corvey startet am Samstag, 23. März, nach einem fulminanten Jubiläumsjahr anlässlich ihres 1200-jährigen Bestehens mit der neukonzipierten Dauerausstellung in den Räumen des Schlosses in die Saison. Die rundumerneuerte Schau macht das gottgeweihte Leben der Mönche, ihre Erfolge bei der Christianisierung Europas im frühen Mittelalter, ihren Einfluss auf die Entwicklung der Region und ihre großen baukünstlerischen Leistungen im Dienst der Verkündigung fesselnd erlebbar.

Unter der Ägide des ehemaligen Direktors des Erzbischöflichen Diözesanmuseums Paderborn, Professor Dr. Christoph Stiegemann, hat die Ausstellung einen durchgreifenden Relaunch in zeitgemäßer didaktischer Anmutung erfahren. Bedeutende, eigens restaurierte Exponate der katholischen Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus sowie wertvolle Leihgaben spiegeln im Zusammenspiel mit modernen Medien dem Titel der Schau entsprechend „Das Jahrtausend der Mönche - von der Gründung Corveys bis zum Goldenen Zeitalter" fesselnd wider. Die Gäste erleben eine Zeitreise in die monastische Geschichte der Benediktinerabtei und heutigen Welterbestätte an der Weser.

Wenn sich der Himmel plötzlich öffnet

Diese beginnt im Kapitelsaal im Erdgeschoss des Ostflügels, wo auch schon vor dem Relaunch bereits früh- und hochmittelalterliche Objekte aus der Gründungszeit gezeigt wurden. „Wir haben diese jetzt kontextualisiert“, berichtet Professor Stiegemann. Beispiel: die 1974/1975 bei Grabungen zum Vorschein gekommenen Fragmente eines Wellenrankenfrieses. Sie schmückten in der Zeit vor 844 die Untergeschossdecke der Scheitelkapelle des Gründungsbaus der Klosterkirche und sind jetzt nicht mehr nur im Original zu sehen, sondern als Gesamtinszenierung der räumlichen Situation unterhalb einer freischwebenden Deckenscheibe. Diese vermittelt eine plastische Vorstellung von der Raumwirkung des Deckenschmucks.

An der gegenüberliegenden Nordwand des Raumes vollzieht sich vor den Augen der Gäste ein atemberaubendes Schauspiel: Die berühmte Inschrifttafel aus der Gründungszeit des Klosters ist als 1:1-Kopie zu sehen und an sich schon imposant. Dann aber füllt sich der in Stein gemeißelte Schriftzug der Tafel über eine Videoprojektion Buchstabe für Buchstabe mit goldenem Glanz. Das Buchstaben-Plotting dieser Goldschrift wie einen Werkprozess zu erleben, lässt die Spiritualität der Klostergründer aufleuchten. Dann öffnet sich um die Tafel mit ihrer glanzvollen Goldschrift herum der Himmel – und macht im Zusammenspiel mit der Übersetzung der Textbotschaft die große Ambition der Mönche spürbar, im irdischen Hier und Jetzt schon einmal Eindrücke von der Herrlichkeit Gottes, vom Himmlischen Jerusalem aus der Offenbarung des Johannes, zu vermitteln.

Vergoldete Buchstaben erzählen ihre Geschichte

Von dieser Mission künden auch sensationelle Funde, die als Dauerleihgaben von der LWL-Archäologie für die Ausstellung zurück nach Corvey gekommen sind: In den Ostteilen der untergegangenen karolingischen Basilika entdeckte der renommierte Corvey-Forscher Professor Dr. Uwe Lobbedey (1937-2021) bei Flächengrabungen vergoldete Kupferbuchstaben einer heute verlorenen Inschrift aus der ersten Bauphase der Kirche. „Sie sind die einzigen ihrer Art nördlich der Alpen“, sagt Professor Stiegemann. Er war überglücklich, als die Archäologin Kathrin Burgdorf und die Restauratorin Susanne Bretzel-Scheel vom LWL die Kostbarkeiten jetzt zusammen mit Putzfragmenten, Glasfliesen und weiteren archäologischen Funden aus den Anfängen des Klosters nach Corvey brachten.

Nicht nur im Kapitelsaal, sondern auch oben – in den vier Ausstellungsräumen am Äbtegang – füllten sich bis in die Woche vor der Eröffnung hinein die Vitrinen. Aufwändig gestalteten sich Transport und Platzierung der jeweils 130 Kilogramm schweren Glashauben für die zwei frisch restaurierten Kesselpauken aus Corveys Goldenem Zeitalter nach dem Dreißigjährigen Krieg. Sie sind Teil der Inszenierung eines pompösen barocken Pontifikalamtes. Innenarchitekt Ludger Schwarze-Blanke aus Bad Lippspringe, der die Ausstellung gestaltet hat, war froh, als die Pauken samt Haube an Ort und Stelle waren. Wie auch bei den anderen Exponaten, zum Beispiel den eigens restaurierten Paramenten- und Goldschmiedearbeiten aus dem Besitz der Kirchengemeinde, regelt moderne Technik das konservatorisch gebotene Innenklima der Vitrinen. Die Außenfenster der Ostfassade des Schlosses sind mit einer Folie abgedunkelt, weil UV-Licht den Stoffen der Messgewänder schadet.

Filme setzen Jahrtausend eindrücklich ins Bild

Der Kunsthistoriker und leidenschaftliche Ausstellungsmacher hat für die Einzelbesucher im „Stillen Winkel“ einen besonderen Trumpf im Ärmel: In vier Filmen, wirkungsvoll in Szene gesetzt vom Berliner Studio Tamschick Media+Space, wird die klösterliche Geschichte Corveys fundiert und zugleich spektakulär lebendig. Starke Bilder und strahlkräftige Worte, angefangen mit Zitaten aus der Vita des ersten Corveyer Abts Adalhard von Corbie (†826), ziehen die Besucher geradezu hinein in das Jahrtausend der Mönche.

Diese Sogwirkung entfaltet auch der Ausstellungsteil am Äbtegang. Er ist dem „Goldenen Zeitalter“ des Barock gewidmet und startet mit dem Neubeginn nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges. 1667 hatte der tatkräftige Administrator Corveys, Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen aus Münster, mit dem Neubau der barocken Abteikirche nach den Plänen des Kapuzinerpaters Polycarp begonnen: „eine geräumige, einschiffige Saalkirche mit langgestrecktem Mönchschor“, erläutert Professor Stiegemann. Die eher schlichte, in den Formen gotisch anmutende Architektur bot der reichen Barockausstattung Raum.

Das Vorbild der Inszenierung der Altartrias zeigt der Wissenschaftler in der Ausstellung auch: Im Paderborner Dom schufen ab 1655 die Brüder Ludovicus und Antonius Willemssens aus Antwerpen „den mächtigen in die Tiefe gestaffelten Hochaltar im Ostchor und die vorgelagerten Seitenaltäre“. Diese Barockaufbauten sind im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. „Mit seiner annähernd vollständig erhaltenen Ausstattung bewahrt Corvey dagegen bis heute ein wunderbares Ensemble des flämisch geprägten Hochbarock“, sagt Professor Stiegemann. Dieses zeigt eindrucksvoll die Großprojektion eines Drohnenfluges durch die Kirche.

Der nächste Raum ist der Heiligen- und Reliquienverehrung gewidmet. Sie erlebte nach den furchtbaren Verlusten im Dreißigjährigen Krieg einen neuen Aufschwung. Reliquienschreine und Reliquiare künden in der Ausstellung davon. Für den Reliquienschrank des hl. Stephanus, der schon vor dem Relaunch zur Dauerausstellung gehörte, könnte Professor Stiegemann sich gut vorstellen, dass Gefache angefertigt werden und diese eines Tages den bis heute erhaltenen großen Reliquienschatz Corveys beherbergen.

Im nächsten Raum dann unterhalten sich drei Fürstäbte, Florenz von dem Velde, Maximilian von Horrich und Theodor von Brabeck, über ihre Lebensleistungen. Und zum Finale, so Professor Stiegemann, zeigt sich der Barock in seiner „Überwältigung durch Schau und Klang“. Kostbare restaurierte Messgewänder sind Teil der Inszenierung eines barocken Festhochamtes, das den Glauben ganz im Sinne der Zeit nicht nur intellektuell, sondern mit allen Sinnen erfahrbar macht. Hier spielen dann auch die restaurierten Kesselpauken eine Rolle, die Innenarchitekt Ludger Schwarze-Blanke gemeinsam mit den Innenausbauern der Firma Dröge aus Marsberg so behutsam mit großen Glashauben geschützt hat. Die Pauken trugen zur fulminanten Klangfülle barocker Kirchenmusik bei. Die Ausstellungsbesucher werden es hören – und beeindruckt sein, die Original-Instrumente im Gesamt-Arrangement mit den Messgewändern der Zelebranten vor der großformatig an der Wand nachgebildeten Altartrias der Abteikirche zu sehen. 

Im Kontext dieser Dramaturgie erzählen Pauken und Gewänder ihre Geschichte – so wie es jedes Exponat dieser großartigen neuen Dauerausstellung tut. Darauf hat der Kurator größten Wert gelegt. Unterstützt von der Kunsthistorikerin Dr. Anne Veltrup aus Münster schuf er eine Gesamtinszenierung, die den ursprünglichen Zusammenhang der Exponate erhellt und die Gäste nachhaltig zu beeindrucken vermag. 

Herzog von Ratibor: „Zeremoniell wird Gästen eindrucksvoll nahegebracht“

Davon geht auch der Hausherr der Ausstellungsräume, Viktor Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey, aus: „Mit der neuen Inszenierung der Dauerausstellung wird dem Besucher von Corvey neben der tausendjährigen Geschichte des Klosters und seiner Bauten eindrucksvoll das Zeremoniell in der Abteikirche nahegebracht. Ton und Bild in den Räumen der Dauerausstellung lassen den Besucher eintauchen und bieten ein Erlebnis, das man sonst nur an Festtagen beim Besuch des Gottesdienstes erfahren kann.“

„Unser Dank gilt“, so Herzog Viktor und Dorothee Feldmann, Direktorin Immobilien- und Kulturverwaltung, „neben dem Initiator Professor Stiegemann als Ideengeber und der Kirchengemeinde, die diese aufwendige Gestaltung möglich gemacht hat, auch den Restauratoren, die den Objekten in mühevoller Kleinarbeit ihre Strahlkraft zurückgegeben haben“.

Pfarrdechant Krismanek: „Neue Präsentation zeigt Glaubensleben der Mönche“

Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek, Leiter des Pastoralverbunds Corvey und Pfarrverwalter der Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus, sieht der Eröffnung der Schau ebenfalls mit Freude entgegen: „Mit der Neugestaltung der Ausstellung ist ein Bogen gespannt von den Anfängen Corveys zum Neubeginn nach dem Dreißigjährigen Krieg. Die neue Präsentation der Exponate zeigt das Glaubensleben der Mönche, in deren Zentrum Jesus Christus stand, von dessen Leben, Tod und Auferstehung die Kunstwerke durchdrungen sind. Kunst und Kultur lassen so den Besucher eintauchen in die Bilderwelt der Karolinger und des Barock, die ein Zeugnis jener Glaubenskraft sind, die Corvey geprägt hat und die auch heute Vertrauen und Hoffnung im Leben vermitteln kann.“

Kirchenvorstand Kowalski: „Schau verleiht Corvey Wirk- und Strahlkraft“

Auch Josef Kowalski, geschäftsführender Vorsitzender des Kirchenvorstands, würdigt die neukonzipierte Schau als Baustein der Weiterentwicklung der Welterbestätte: „Das Jahrtausend der Mönche: Diese neue Dauerausstellung verleiht Corvey im Kontext mit den Film-Bildern demnächst auf der Glaswand im Erdgeschoss des karolingischen Westwerks und der Tablet-Bild-Choreographie im Johanneschor – eine neue, hell leuchtende Wirk- und Strahl-Kraft. Hier zeigt sich für den Besucher anschaulich die Seele und Substanz benediktinischer und klösterlicher Tradition. Diese Weiterentwicklungen machen Corvey wieder zu einem weit ausstrahlenden Leuchtturm - wie in der Blütezeit des Klosters. Und 2025 wird die Barrierefreiheit des Westwerks - in den Johanneschor hinein - Corvey weitere Anziehungskraft geben.“

Förderern gilt Dank

In die Neugestaltung der Ausstellung sind umfangreiche LEADER-Mittel geflossen. Auch haben das NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft, die Kulturstiftung der Länder, Berlin, und die NRW Stiftung das Projekt in großem Umfang gefördert. Die Kirchengemeinde dankt ihnen und besonders auch dem Erzbistum Paderborn, insbesondere der Stiftung Bischof Badurad des Erzbischöflichen Stuhls, die mit ihrem Engagement die Grundlage für die Realisierung der Neugestaltung gelegt hat. Besonderer Dank gilt zudem der Bank für Kirche und Caritas eG, der Verbundvolksbank OWL Stiftung sowie dem Förderverein Karolingisches Westwerk Corvey für ihre großzügige Unterstützung.

 

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